Die homöopathische Potenzierung
Homöopathische Mittel sind in der Regel Naturstoffe. Sie werden in einem bestimmten Verfahren bearbeitet, man spricht von homöopathischer „Potenzierung“ (aus dem lateinischen, „Potentia“ – die Kraft).

Qualitative Herstellung
Das Homöopathische Arzneibuch (HAB) beschreibt sehr exakt die Regeln, nach denen homöopathische Arzneien hergestellt werden. Diese sind für alle Hersteller verbindlich. Durch unterschiedliche Verfahren entstehen potenzierte Arzneimittel in verschiedenen Darreichungsformen, Tropfen, Tabletten und Streukügelchen (Globuli).
Das Prinzip der Potenzierung besteht in der schrittweisen Bearbeitung der Ausgangssubstanz (Urtinktur). Chemisch-physikalisch betrachtet erfolgt eine zunehmende Verdünnung der Urtinktur in einem definierten Mischungsverhältnis und anschließender Verwirbelung durch einen Schüttelprozess. Bei der Herstellung von D-Potenzen wird ein Teil der Urtinktur mit neun Teilen (1:10) wirkungsneutralem Lösungsmittel versetzt und anschließend verschüttelt. Diese Zubereitung ist die erste Dezimalpotenz, kurz D1 genannt. Beträgt das Mischungsverhältnis 1:100 bei sonst unverändertem Vorgehen, entstehen C-Potenzen. Zur Herstellung steigender Potenzstufen wird der beschriebene Vorgang schrittweise wiederholt.
Wirksamkeit trotz abnehmendem Wirkstoffgehalt
Historisch gesehen war das Prinzip der Potenzierung zunächst ein ausschließlich pragmatisches Vorgehen. Etliche homöopathische Wirkstoffe sind in reiner Form giftig. Hahnemann wollte deren Toxizität vermeiden, daher verdünnte er die Substanzen schrittweise. Dieses Vorgehen war damals ohne die Möglichkeiten heutiger Analytik pharmakologisch üblich. Es ermöglichte die Herstellung exakter Konzentrationen. Erst im Laufe der Zeit machten homöopathische Ärzte die Erfahrung, dass mit zunehmender Bearbeitung der Substanzen nicht nur die Wirkung erhalten bleibt, sondern deren Wirksamkeit sogar zunimmt.
Mit ansteigender Potenzierung sinkt die Konzentration des Ausgangsstoffes. Aufgrund der atomaren bzw. molekularen Struktur der Materie sind Stoffe jedoch nicht unendlich teilbar. Dies hat zur Folge, dass etwa ab der Potenzstufe D23 (C12) die Wahrscheinlichkeit gegen null geht, dass in der potenzierten Lösung noch Moleküle des Ausgangsstoffes enthalten sind.
Insbesondere das Herstellungsverfahren der Potenzierung führt immer wieder zur Ablehnung der Homöopathie. Kritiker betonen, sie könne prinzipiell nicht wirksam sein, denn „wo nichts drin ist kann auch nichts wirken“.
„Bodensee-Vergleich“
Zur Bestätigung dieser Argumentation wird mitunter der „Bodensee-Vergleich“ herangezogen: Die Konzentration des Wirkstoffes in der homöopathischen Potenz D18 entspreche dem Verhältnis von einem Tropfen Wirkstoff auf die gesamte Wassermenge im Bodensee. Bei einer D24 sei dann ein Tropfen Wirksubstanz im Atlantik verteilt und bei einer D80 ein Tropfen auf das gesamte beobachtbare Universum (1).
Derartige Gedankenspiele mögen zwar rechnerisch richtig sein, sie haben jedoch nichts mit der Realität gemeinsam. Wie könnten homöopathische Arzneimittel hergestellt werden, wenn dafür der Bodensee, der Atlantik oder gar das ganze Universum benötigt würden?
Tatsächlich haben wir bei der Herstellung einer D18-Potenz nicht den ganzen Bodensee vor uns, sondern es werden lediglich etwa 9 ml Lösungsmittel benötigt. Das entspricht der Menge eines zur Hälfte gefüllten Schnapsglases. Kurze Rechnung: D-Potenzen werden im Verhältnis eins zu zehn hergestellt. Ein Tropfen enthält z.B. ca. 0,05 ml, zehn Tropfen also 0,5 ml. Zur Herstellung einer D18 wird der Potenzierungsvorgang 18-mal wiederholt, also 18 × 0,5 ml = 9 ml.
Für die Herstellung einer D24 wird kein Atlantik benötigt, sondern insgesamt ca. 12 ml (24 × 0,5 ml) Lösungsmittel. Für die D80 brauchen wir kein ganzes Universum, sondern lediglich etwa 40 ml.
Potenzieren ist nicht gleich verdünnen
Schon die Anschauung macht deutlich, dass Verdünnen und Potenzieren nicht dasselbe sind. Bereits die räumliche Anordnung von Wirkstoff (-molekülen) und Lösungsmittel ist bei der Potenzierung wesentlich anders als die bei einer Verdünnung. Welchen zusätzlichen Effekt die bei jedem Potenzierungsschritt durchgeführte Verwirbelung hat sei dahingestellt.

Unsinniges Rechenexempel
Der „Bodensee-Vergleich“ und ähnliche theoretische Berechnungen sollen demonstrieren, dass die Homöopathie „unmöglich wirken könne“. Doch sind derartige Rechnungen sinn- und bedeutungslos, da ihre praktische Umsetzung nicht durchführbar, nicht einmal denkbar ist.
Unsinnige Rechenexempel
Wie unvereinbar weit derartige theoretische Gedankenspiele und die Realität auseinanderklaffen, zeigt folgendes Beispiel:
Nehmen wir an, ein Maurer benötigt für die Errichtung einer Mauer zehn Stunden. Nun kann man berechnen, wie lange zehn Maurer (eine Stunde) oder 100 Maurer (sechs Minuten) benötigen. Arbeiten gar 1000 Maurer an ihrer Errichtung können wir berechnen, dass sie zusammen lediglich 0,6 Minuten (36 Sekunden) benötigen. Auf die Spitze getrieben wären es bei 100.000 Maurern lediglich 0,36 Sekunden. Wie beim Bodensee-Vergleich ist die Rechnung korrekt – allerdings fehlt jeglicher Bezug zur Realität. Sie ist lediglich ein theoretisches Gedankenspiel – ohne Beitrag zum wirklichen Verständnis (2).
Zweifellos gilt für konventionelle Medikamente, dass sie mittels eines stofflichen Einflusses wirken. Es gibt keinen zwingenden Grund für die Annahme, dass dies auch für höher potenzierte homöopathische Arzneimittel gelten muss. Das Argument, „wo nichts drin ist, kann auch nichts wirken“ ist also nur dann schlüssig, wenn man sicher davon davon ausgehen kann, dass biologische Prozesse ausschließlich durch materiell fassbare Wirkstoffe angestoßen werden können. Dass hoch potenzierte Wirkstoffe jedoch spezifische Effekte auslösen können, ist wissenschaftlich nachgewiesen. So belegen die Ergebnisse vieler qualitativ hochwertiger klinischer Studien (Studien & Wissenschaft), dass sie wirksam sind. Dafür sprechen auch Grundlagenexperimente mit Placebokontrolle (Grundlagenforschung).
Diese Nachweise lassen die Schlussfolgerung zu, dass es eine nicht-materielle Wirkung hoch potenzierter homöopathischer Wirkstoffe geben muss. Es ist widersinnig anzunehmen, dass Wirkungen zwar nachgewiesen, aber „eigentlich“ nicht existent sind, nur weil wir (noch) keine Erklärung für den Wirkmechanismus haben. mehr lesen …
Unsere Quellen
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Potenzieren_%28Homöopathie%29
(2) Klunker: Die Homöopathie und das Rechnen. KH 34 (1990), 185-189