„Australien-Report“

Der australische National Health and Medical Research Council (NHMRC) veröffentlichte im März 2015 einen Bericht zur (Un-) Wirksamkeit der Homöopathie (1). Auf die Schlussfolgerung dieser Arbeit, „die Homöopathie habe sich bei keiner Erkrankung als wirksam erwiesen“, stützen Homöopathiekritiker bevorzugt ihre Argumentation. Diesem Fazit entgegenstehend gab die Direktorin des NHMRC, Prof Kelso, im August 2019 zu Protokoll: „ … Entgegen einige Behauptungen kam der Bericht nicht zu dem Schluss, dass Homöopathie ineffektiv ist … .“ (3).

Zu dem so genannten „Australien-Report“ gab und gibt es weiterhin gravierende Unklarheiten und Fragen, insbesondere was die wissenschaftliche Methodik und das Vorgehen des NHMRC betrifft (4):

Erster Bericht:

Ein erster Bericht wurde 2012 fertig gestellt. Er wurde allerdings nicht veröffentlicht. Seine Existenz wurde erst nach Anträgen auf Akteneinsicht bekannt. Nach dem Einleiten rechtlicher Schritte wurde der Bericht 2019, sieben Jahre nach seiner Fertigstellung, vom NHMRC offengelegt. Im Ergebnis ist von „ermutigenden Ergebnissen“ homöopathischer Behandlung bei fünf Indikationen die Rede. Der Leiter des NHMRC-Expertenausschusses bescheinigt diesem ersten Bericht eine hohe Qualität. Er wurde von einer renommierten australischen Organisation angefertigt, deren Leiterin, Frau Prof. Grimmer, als ausgewiesene Expertin für die Anfertigung derartiger Übersichtsarbeiten gilt.

Zweiter Bericht

Statt der Veröffentlichung des ersten Berichts wurde eine andere Organisation damit beauftragt, einen zweiten Bericht zu erstellen. Dieser wurde 2015 veröffentlicht..

Schon dieses Vorgehen an sich ist ungewöhnlich. Üblicherweise wird eine wissenschaftliche Arbeit nach ihrer Fertigstellung einem Gutachterprozess unterworfen (Peer-Review). Stellen sich dabei Fehler, Ungereimtheiten oder methodische Mängel heraus, wird entsprechend nachgebessert. Letztlich wäre es nicht nur eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen, sondern auch methodisch fragwürdig, würde man eine wissenschaftliche Arbeit vollständig neu anfertigen oder etwa das Thema einer anderen Arbeitsgruppe übergeben, anstatt die von Gutachtern kritisierten Punkte zu überarbeiten.

Ungewöhnliche Methodik

Es besteht ein übergreifender Konsens darüber, dass sich der zweite Bericht einer ungewöhnliche Methodik bedient hat. Beispielsweise wurde die Qualität der Einzelstudien nicht eigenständig bewertet, sondern aus der Beschreibung der Übersichtsarbeiten gefolgert.

Wichtiger ist jedoch der Umstand, dass auf der Grundlage unüblicher, nicht adäquater Kriterien sukzessive immer weitere Homöopathiestudien aus der Analyse ausgeschlossen wurden. Insgesamt wurden etwa 97% der vorliegenden Studien ausgesondert, die Auswertung berücksichtigt am Schluss lediglich fünf Studien. Keine dieser Studien befasst sich mit der individualisierten Arzneimittelwahl im Sinne der Homöopathie (5).

Fragwürdige Ausschlusskriterien

1.
Als ein entscheidendes Kriterium für den Ausschluss der meisten Studien wurde eine untere Grenze für die Teilnehmerzahl eingeführt. Alle Studien, die weniger als 150 Teilnehmer rekrutiert hatten, wurden aus der Analyse a priori ausgeschlossen. Zwar ist aus der verfügbaren Literatur bekannt, dass kleinere Studien tendenziell einen Behandlungseffekt überbewerten können. Dies kann allerdings nicht generalisiert werden, weil dieser Effekt von weiteren Umständen abhängt. Es gibt keine allgemein akzeptierte Untergrenze für die Teilnehmerzahl in kontrollierten Studien. Andererseits können (zu) große Teilnehmerzahlen dazu führen, dass selbst winzig kleine Unterschiede zu einer statistisch signifikanten Wirksamkeit führen – obwohl sie ohne relevanten Nutzen für Patienten sind.

In jedem Falle ist die untere Grenze von 150 Teilnehmern als Einschlusskriterium willkürlich gewählt. Es gibt in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur keine Begründung für dieses Vorgehen. Es wurde von den Autoren der NHMRC-Übersicht auch gar nicht erst versucht, dieses Vorgehen zu begründen. Im Übrigen ist das NHMRC an Studien beteiligt oder nimmt sie in Auswertungen auf – auch mit einer Teilnehmerzahl kleiner als 150.

2.
Um in die Auswertung aufgenommen zu werden hat das NHMRC zusätzlich einen ungewöhnlich hohen Qualitätsstandard als weiteres Kriterium vorgegeben. Würde dieser strenge Maßstab zur Regel erhoben, würden ca. 90% der konventionellen Interventionen ebenso durchfallen. Übersichtsarbeiten dokumentieren, dass sich die methodische Qualität von Homöopathiestudien nicht von der konventioneller Studien unterscheidet (siehe: Studienqualität)

Wird also die Studienqualität kritisiert, betrifft diese Kritik die konventionelle Medizin gleichermaßen wie die Homöopathie. Die mangelnde Qualität einseitig nur der Homöopathie anzulasten ist eine fehlerhafte Verzerrung, methodisch nicht korrekt und entbehrt einer rationalen Grundlage.

Wirksamkeit auch bei einzelnen Krankheiten

„Die Homöopathie hat sich bei keiner Erkrankung als wirksam erwiesen“ – diese Schlussfolgerung des NHMRC-Berichts bedeutet nicht, Homöopathie ist grundsätzlich nicht wirksam. Darauf hat die Direktorin des NHMRC, Prof Kelso, hingewiesen, als sie ihr bereits o. g. Statement veröffentlichte: „ … Entgegen einige Behauptungen kam der Bericht nicht zu dem Schluss, dass Homöopathie ineffektiv ist … .“ (3).

Die Aussage der Direktorin des NHMRC weist auf darauf hin, dass die Wirksamkeit der Homöopathie bei vielen unterschiedlichen Erkrankungen untersucht wurde. Der wiederholte Wirksamkeitsnachweis für einzelne Erkrankungen stand bislang weniger im Fokus der Homöopathieforschung . Wie aktuellere Studienergebnisse allerdings belegen, ist die Schlussfolgerung des NHMRC-Berichts auch bezogen auf einzelne Erkrankungen mittlerweile veraltet und überholt. Auch für einzelne Erkrankungen besteht inzwischen eine verlässliche Evidenz zu Gunsten der Homöopathie:

Beispielsweise wurde 2021 die homöopathische Behandlung in die Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ aufgenommen: „Trotzdem kann aufgrund der stark positiven Ergebnisse dieser Studie der Einsatz von klassischer Homöopathie (Erstanamnese in Kombination mit individueller Mittelverschreibung) zur Verbesserung der Lebensqualität bei onkologischen Patienten zusätzlich zur Tumortherapie erwogen werden“ (6). Das bemerkenswerte daran ist, dass sowohl das gesamte Leitlinienprogramm als auch die Aufbereitung des wissenschaftlichen Materials zur Homöopathie unter der Leitung von Prof. Hübner stand. Obwohl Frau Prof. Hübner sich in den vergangenen Jahren als eine der schärfsten Kritikerin der Homöopathie etabliert hat wurde unter ihrer Ägide die homöopathische Behandlung in die Leitlinie aufgenommen.

Weitere Beispiele für die Wirksamkeit bei einzelnen Indikationen ist dem Kapitel „Studien“ zu entnehmen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass mehrere Studien die Wirksamkeit der Homöopathie z.B. bei Heuschnupfen, Atemwegsinfekten, Durchfall (bei Kindern), Darmverschluss oder Fibromyalgie belegen.

Fazit

Unabhängig von der Frage, wie der Bericht bereits bei seinem Erscheinen zu bewerten war, sind seine Schlussfolgerungen heute als falsch und überholt einzustufen.

Der Bericht kam nicht zu dem Schluss, dass die Homöopathie als Ganzes gesehen unwirksam ist.

Die Zusammenfassung des Berichtes „die Homöopathie habe sich bei keiner Erkrankung als wirksam erwiesen“, besitzt keine Gültigkeit mehr und ist zumindest aus heutiger Sicht falsch.